#Lesestoff - New Work

New Work ist breitflächig in der Arbeitswelt angekommen – quer durch alle Branchen. Die Projektgruppe des HSMA HR/Employer Branding-Expertenkreises beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und stellt dabei die zentrale Frage: „Wie kann New Work in der Hotellerie funktionieren?“ Grundlage dafür ist ein gemeinsames Verständnis wofür New Work eigentlich steht. Daher möchten wir nachfolgend eine Definition geben und vier zentrale Faktoren dieser neuen Einstellung zur Arbeitswelt im Kontext der Hotellerie vorstellen.  

Wie ist New Work entstanden? Die ersten Ansätze zu New Work führen zurück auf den österreichischen und US-amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann. Er gilt als Begründer von New Work. Er führte ein wegweisendes Experiment durch: Durch die zunehmende Automatisierung kam es in den 1980ern bei General Motors in der Stadt Flint in Michigan zu verstärkter Arbeitslosigkeit. Bergmann schlug statt Entlassungen ein Schichtsystem vor, bei dem Teile der Belegschaft für mehrere Monate freigestellt wurden, um sich in dieser Zeit in einem „Zentrum für neue Arbeit“ neu zu orientieren. Dadurch wurde die Wichtigkeit der eigenen Interessen und Selbstbestimmung, eine eigenständige Arbeitsweise und Flexibilität gefördert – die Basis für New Work.

Was bedeutet New Work überhaupt? Der Begriff New Work umfasst neue Arbeitsweisen, die auf Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft basieren. Auf vier zentrale Faktoren dieser Arbeitsweisen möchten wir nun eingehen:

1. Individualität: „Mitarbeiter legen Leistungsziele und Lernziele sowie Arbeitszeiten selbstständig fest und werden in die Strategieentwickung eingebunden“.

In einem Kunden-Workshop kam von einem Hoteleigentümer daraufhin der Einwurf: „Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn einfach nur noch jeder macht, was ihm Spaß macht und wobei er sich wohl fühlt. Wir sind doch hier, um Geld zu verdienen.“

Die Frage ist also, welche Unternehmensform und welche Managementstrukturen benötigt werden, damit Mitarbeiter sich auch mehr einbringen und mit ihren individuellen Stärken und Ideen zum Unternehmenserfolg beitragen. Wobei nicht nur das Einbringen von Ideen gemeint ist, sondern echtes Empowerment – wo für das eigene Handeln auch Verantwortung übernommen wird und so ein Beitrag für das Team und für die gesamte Organisation geleistet wird. Menschen möchten sich mit all ihren Talenten und Stärken einbringen.

Dazu eine aktuelle Umfrage unter Mitarbeitenden in der Hotellerie in der Schweiz (überwiegend mit Führungsverantwortung): 45% der Mitarbeiter wünschen sich mehr Mitbestimmung, aber nur ein Viertel zeigt sich bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen (Quelle: Holacracy. Hierarchie der Kreise, Die zukunftsweisende Unternehmensführung für die Hotellerie? Diplomarbeit Kathrin Matter, 2020). Das deckt sich auch mit Umfragen unter der Gen Z. Unter Berücksichtigung dieser Umfrage ergibt sich eine weitere Frage: “Wie kann die Lust auf Verantwortungsübernahme, für mich selbst und mein Team, geweckt werden?”

2. Agilität: Agil zu arbeiten, bedeutet flexibel und darüber hinaus proaktiv, antizipativ und initiativ zu agieren, um notwendige Veränderungen umzusetzen.

Der Begriff “selbstorganisierte-agile Organisation” kurz „So-agile Organisation“ beschreibt am besten den aktuellen Pol, zu dem sich Organisationen unterschiedlicher Branchen und Größen hinbewegen*. Dieser scheint geprägt von zufriedenen Kunden, schnelleren und zahlreicheren Innovationen, sich selbst steuernden Teams und einem neuen Führungsstil. In Europa und den USA scheinen agile Methoden und Selbstorganisation die Lösung aller Probleme zu sein. Sogar amerikanische Eliteeinheiten organisieren sich agil, um schnell, flexibel und selbstorganisiert gefährliche Spezialeinsätze zu bewältigen.

Das Top-Management versteht Agilität oft als etwas, das es im operativen Geschäft und in den Prozessen auf Arbeitsebene zu verankern gilt und nicht als signifikanten Werte- und Haltungswandel, der von oberster Ebene vorgelebt und aktiv, nicht nur passiv-beobachtend getrieben werden muss. Im Tourismus sind Führungskräfte und Mitarbeitende Meister darin, unvorhergesehene Ereignisse zu bewältigen und zu improvisieren. Daher geht es hier im agilen Kontext oftmals darum, nun auch Strukturen und Prozesse so zu gestaltet, dass sie an unvorhergesehene Anforderungen angepasst werden können, beispielweise mit der Hilfe von agilen IT-Tools, welche auf die individuellen Bedürfnisse der Organisation abgestimmt sind.

3. Flache Hierarchien: Eine moderne, demokratische Führungskultur zu ermöglichen, bedeutet eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe bei kurzen Entscheidungswegen. Hierbei können Hierarchien auch gänzlich wegfallen.

Bei wirklich selbstorganisierten Teams werden keine Hierarchien mehr benötigt (wie z.B.: bei dem Ansatz Holacracy). In vielen Konzepten der Selbstorganisation gehen Führungsaufgaben an die Teammitglieder über, welche sich und ihre Aufgaben im Team selbst organisieren. Dabei geht die Einheit von Mitarbeiterführung und Geschäftsverantwortung verloren. In einigen SO-agilen Konzepten kümmern sich die klassischen Führungskräfte nicht mehr um die Fach- und Sachaufgabe (die Gestaltung des “Was” und “Wie”), sondern „nur noch“ um ihre Mitarbeitenden.* Diese ist gerade für Führungskräfte herausfordernd, die sich in der Vergangenheit stark über das Geschäft oder Projekte und nicht über die Führungsaufgabe identifiziert haben. Fällt dies nun weg, kann es unter Umständen zu einer Existenzkrise kommen oder die Sorge aufkommen, dass die Führungsaufgabe „alleine“ keine persönliche Erfüllung oder rausreichende unternehmerische Wertschöpfung bieten kann. Doch ist es gerade bei SO-agilen Organisationen wichtige Aufgabe der Führungskräfte, die Teams über das Gesamtunternehmen hinweg zu vernetzen, die Mitarbeiter zu entwickeln und zu befähigen und proaktiv für eine zukunftsfähige Gestaltung des Gesamtteams zu sorgen.

4. Flexibilität: Neben flexiblen Lösungen beinhaltet das agile Arbeiten auch flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte – ebenso wie effektives und an verschiedene Situationen angepasstes Arbeiten.

Das klingt plausibel - was bedeutet das aber für den Tourismus? Welche neuen Ansätze braucht es als Organisationsform, damit das überhaupt diskutiert werden kann? In bestimmten Arbeitsbereichen wie Sales, Marketing Revenue Management sind flexible Strukturen durch Remote Work etc. einfacher möglich. Die Frage ist, wie diese geforderte Flexibilität im Service oder in der Küche umsetzbar sind. Auch hier gibt es schon erfolgsversprechende Ansätze, bei denen sich Teams in der Dienstplangestaltung selbstorganisiert einteilen, wie z.B. eine 4-Tage-Woche in der Küche durch rotierende Arbeitszeiten sowie weg vom Teildienst.


Und hier sind wir bereits mitten in der aktiven (Um-)Gestaltung der Arbeitsweisen in der Hotellerie und im Tourismus. Dabei ist die Flexibilität der Arbeitsgestaltung nur ein Punkt. Welche neuen Organisationsstrukturen können wir schaffen? Und welche machen in unserer Branche Sinn? Welche Tools benötigen wir? Hierzu möchten wir uns mit euch weiter austauschen und im nächsten Beitrag spannende Impulse geben.

Wie wird New Work in der Hotellerie schon gelebt? Kennst du einen Betrieb, den wir dabei auf jeden Fall im Blick haben sollten? Wo neue Arbeitsweisen bereits gelebt werden? Sei es Führung, Strukturen oder auch die Gestaltung des Arbeitsplatzes. Dann melde dich bitte bei uns per Mail an doennebrink@hsma.de. Wir freuen uns auf euren Input!

Eure New Work-Projektgruppe: Cornelia Lohninger-Mack, Andrea Sahmer, Ralf Müller, Sarah Dönnebrink

#Lesestoff - New Work
  • 14.04.2021

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