Super Apps in der Hotellerie: Revolution oder Bedrohung für den deutschen Markt?
Die digitale Revolution erreicht die Hotellerie
Die Digitalisierung schreitet in allen Wirtschaftsbereichen voran und verändert kontinuierlich Geschäftsmodelle und Kundenbeziehungen. Während in Deutschland noch über Online-Buchungsplattformen und Hotelvergleichsportale diskutiert wird, entstand in Asien bereits die nächste Evolutionsstufe: Super Apps. Diese All-in-One-Plattformen versprechen, das gesamte Reiseerlebnis in einer einzigen Anwendung abzubilden - von der Recherche über die Buchung bis hin zum Check-out und darüber hinaus. Doch was bedeutet dieser Trend für die deutsche Hotellerie? Sind Super Apps eine Chance zur Neuerfindung oder eine existenzielle Bedrohung?
Was genau sind Super Apps?
Super Apps sind digitale Plattformen, die viele verschiedene Dienste in einer einzigen App vereinen. Anders als normale Apps mit nur einem Zweck bieten Super Apps zahlreiche Services aus verschiedenen Lebensbereichen an, wie Kommunikation, Shopping, Banking, Essensbestellung und Reisebuchung.
Super Apps funktionieren wie Plattformen: Die Betreiber stellen die technische Basis bereit, auf der eigene und externe Dienste laufen können. Durch offene Schnittstellen können andere Unternehmen ihre Services in die App einbinden. Wichtige Merkmale von Super Apps sind die Vereinigung aller Dienste unter einem digitalen Dach, einmalige Anmeldung für alle Services, ein einheitliches Bezahlsystem, personalisierte Angebote durch Datenanalyse und die Integration von Mini-Apps von Drittanbietern. Im Hotelbereich bedeutet dies, dass eine Super App das komplette Reiseerlebnis abdeckt – von Flug und Hotel über Taxibestellung bis zu Restaurantreservierungen, lokalen Aktivitäten, Check In & Out und die anschließende Bewertung.
Der asiatische Erfolg: Warum Super Apps in Asien florieren
Der Siegeszug der Super Apps begann in Asien mit Pionieren wie WeChat in China, Grab in Südostasien und Paytm in Indien. Diese Plattformen haben sich zu unverzichtbaren digitalen Begleitern im Alltag von Hunderten Millionen Menschen entwickelt.
Der Erfolg in Asien basiert auf mehreren kulturellen und strukturellen Faktoren. In vielen asiatischen Ländern haben Nutzer den Umweg über Desktop-Computer übersprungen und sind direkt in die mobile Internetnutzung eingestiegen, was zu einer ausgeprägten Mobile-First-Mentalität führte. Die Bevölkerung in Ländern wie China, Südkorea oder Singapur zeigt zudem eine hohe Akzeptanz gegenüber technologischen Innovationen. Gleichzeitig füllten Super Apps oft bestehende infrastrukturelle Defizite, etwa im Bankwesen oder im öffentlichen Verkehr. Ein demografischer Vorteil liegt in der jungen, technikaffinen Bevölkerung, die neue digitale Lösungen schnell adoptierte. Nicht zuletzt ermöglichte in einigen asiatischen Ländern ein weniger restriktives Regulierungsumfeld die schnelle Entwicklung umfassender digitaler Ökosysteme.
Im Tourismussektor haben sich Super Apps mit beeindruckenden Erfolgsbeispielen etabliert. Meituan in China startete ursprünglich als Essenslieferdienst und bietet heute auch Hotelbuchungen, Aktivitäten und lokale Services an. Mit über 600 Millionen Nutzern ist die App einer der führenden Hotelvermittler in China. Trip.com (früher Ctrip) hat sich von einer reinen Reisebuchungsplattform zu einem umfassenden Reiseökosystem entwickelt, das Flüge, Hotels, Pauschalreisen, Mietwagen und Aktivitäten anbietet.
Diese Plattformen haben die Hotellandschaft in Asien grundlegend verändert. Hotels müssen auf diesen Plattformen präsent sein, da ein Großteil der lokalen Bevölkerung sowie der Touristen diese Apps für ihre Reiseplanung nutzt. Die intensive Nutzung führt zu einem umfassenden Datenpool, der für personalisierte Angebote und dynamische Preisgestaltung genutzt wird.
Der Sprung nach Westen: Chancen und Herausforderungen in Europa und den USA
Die Frage, ob Super Apps auch in westlichen Märkten Fuß fassen können, wird kontrovers diskutiert. Bisher haben sich in Europa und den USA keine vergleichbaren Ökosysteme etabliert. Einige Tech-Giganten wie Meta, Google oder Amazon unternehmen Schritte in diese Richtung, stoßen jedoch auf signifikante Hürden.
Die strukturellen Unterschiede und kulturellen Barrieren sind vielfältig. In Europa sorgen Datenschutzbestimmungen (DSGVO) und strenge Wettbewerbsregeln für ein komplexeres Umfeld für umfassende digitale Ökosysteme. Anders als in Teilen Asiens existieren in westlichen Märkten bereits ausgereifte digitale Lösungen für Bankgeschäfte, Mobilität und E-Commerce. Westliche Verbraucher tendieren traditionell zu spezialisierten Lösungen und legen größeren Wert auf Datenschutz und Privatsphäre. Darüber hinaus existieren in der Hotellerie bereits dominante Plattformen wie Booking.com oder Expedia, die ihre Position verteidigen.
Dennoch gibt es auch im Westen erste Bewegungen in Richtung Super-App-Konzepte. Die Booking Holdings erweitert ihr Portfolio stetig um Transportlösungen, Restaurantreservierungen und Aktivitätenbuchungen. Uber bietet mittlerweile Essenslieferungen an und experimentiert mit weiteren Services. Airbnb integriert zunehmend Erlebnisse und Aktivitäten in sein Angebot. Fintech-Plattformen wie PayPal oder Revolut erweitern ihr Angebot um Shopping-Funktionen und Reiseleistungen. Diese Ansätze unterscheiden sich jedoch noch deutlich von den umfassenden asiatischen Super Apps.
Hürden für Super Apps in der deutschen Hotellerie
Bei der Übertragung des Super-App-Konzepts auf den deutschen Hotelmarkt sind spezifische Herausforderungen zu berücksichtigen. Die regulatorischen Hürden sind beträchtlich: Die strenge europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) limitiert die umfassende Datensammlung und -nutzung, die für personalisierte Super-App-Funktionen essenziell ist. Kartellrechtliche Bedenken könnten gegen die Marktmacht sprechen, die Super Apps potenziell entwickeln. Im Tourismussektor gelten zudem besondere Verbraucherschutzvorschriften, die komplexe Anforderungen an digitale Plattformen stellen.
Strukturelle Herausforderungen ergeben sich aus der fragmentierten Hotellandschaft - der deutsche Hotelmarkt ist von mittelständischen Betrieben und starken regionalen Unterschieden geprägt. Viele deutsche Hotels haben noch Aufholbedarf bei der grundlegenden Digitalisierung ihrer Prozesse, und es fehlt an Mitarbeitenden mit den notwendigen digitalen Kompetenzen zur Implementierung und Nutzung komplexer Technologielösungen.
Auch kulturelle Barrieren spielen eine Rolle: Deutsche Hotelgäste schätzen oftmals den persönlichen Kontakt und individuelle Betreuung. Es herrscht eine gewisse Skepsis gegenüber digitalen Alles-in-einem-Lösungen, besonders in Bezug auf Datenschutz. Etablierte Marken und spezialisierte Anbieter genießen hohes Vertrauen bei deutschen Verbrauchern, was den Markteintritt neuer Super-App-Anbieter erschweren könnte.
Die Zukunft: Was kann die deutsche Hotellerie von Super Apps erwarten?
Ungeachtet der Herausforderungen ist die Entwicklung in Richtung stärker integrierter digitaler Plattformen auch für den deutschen Markt unausweichlich. Für die Hotellerie ergeben sich daraus sowohl Chancen als auch Risiken.
Die potenziellen Auswirkungen auf den Hotelmarkt sind vielfältig. Super Apps könnten traditionelle Buchungswege weiter zurückdrängen und die direkte Kundenbeziehung der Hotels beeinflussen. Es werden sich neue Kooperationsmodelle entwickeln, bei denen Hotels Teil umfassenderer Reise-Ökosysteme werden, was neue Partnerschaften erfordert. Umfassende Marktdaten könnten zu noch dynamischerer Preisgestaltung führen. Gäste werden zunehmend personalisierte Angebote erwarten, die auf ihrem Verhalten und Präferenzen basieren. Die Grenzen zwischen Hotel, Reiseveranstalter und Mobilitätsanbieter werden dabei fließender.
In Deutschland ist ein hybrides Modell wahrscheinlich. Es werden vermutlich branchenspezifische Super Apps entstehen, die sich auf Reise und Hospitality konzentrieren, aber nicht alle Lebensbereiche abdecken. Etablierte Plattformen wie Booking.com werden ihre Dienstleistungen schrittweise erweitern. Hotelketten werden eigene Mini-Ökosysteme entwickeln, die über die reine Übernachtung hinausgehen.
Chancen für die deutsche Hotellerie
Super Apps bieten der deutschen Hotellerie trotz aller Herausforderungen bedeutende Chancen. Sie eröffnen neue Vertriebswege und Reichweite, insbesondere zu internationalen Gästen, die mit Super Apps vertraut sind. Die Abhängigkeit von einzelnen Online-Reisebüros (OTAs) kann durch diversifizierte Vertriebskanäle reduziert werden. Zudem ermöglichen Super Apps eine erweiterte digitale Präsenz in einem sich wandelnden Marktumfeld.
Bei der Optimierung interner Prozesse können effizientere Betriebsabläufe durch Integration von Property-Management-Systemen mit Super-App-Schnittstellen (Direct Connect) erreicht werden. Das Gästemanagement wird durch digitale Check-in/Check-out-Prozesse, digitale Zimmerschlüssel und automatisierte Kommunikation vereinfacht. Zugang zu umfassenderen Marktdaten und Gästepräferenzen ermöglicht eine datenbasierte Entscheidungsfindung.
Das Serviceangebot kann durch nahtlose Integration lokaler Erlebnisse in das Hotelangebot über App-Schnittstellen erweitert werden. Personalisierte Gästebetreuung wird auf Basis umfassender Präferenzdaten möglich. Neue Einnahmequellen entstehen durch Provisionen für vermittelte Zusatzleistungen.
Wettbewerbsvorteile ergeben sich für Hotels, die frühzeitig Kooperationen mit aufstrebenden Super-App-Anbietern eingehen und sich so einen First-Mover-Vorteil sichern. Innovative digitale Services bieten Differenzierungspotenzial im Vergleich zu Wettbewerbern. Durch ein durchgängiges digitales Erlebnis kann eine stärkere Kundenbindung erreicht werden.
Risiken und Bedrohungen
Den Chancen stehen signifikante Risiken gegenüber. Ähnlich wie bei heutigen Online-Reisebüros (OTAs) könnten Super Apps hohe Provisionen für ihre Vermittlungsdienste verlangen. Hotels könnten noch weiter von der direkten Kundenbeziehung entfernt werden, und wertvolle Kundendaten könnten primär bei den Plattformbetreibern verbleiben. Diese Aspekte der Abhängigkeit und Marktmacht sind kritisch zu betrachten.
Investitions- und Integrationsrisiken entstehen durch die technologischen Herausforderungen bei der Integration bestehender Hotelsysteme mit Super-App-Strukturen, was erhebliche Investitionen erfordern kann. Der Aufbau digitaler Kompetenzen wird notwendig, sei es durch Schulung des bestehenden Personals oder die Rekrutierung neuer Fachkräfte. Bei frühen Investitionen in neue Plattformen besteht zudem eine Unsicherheit bezüglich des Return on Investment.
Strategische Risiken ergeben sich, wenn erfolgreiche Super Apps das wertvolle Direktgeschäft der Hotels reduzieren und so zu einer Kannibalisierung führen. Standardisierte Prozesse in Super Apps könnten die Differenzierungsmöglichkeiten für Hotels verringern und zu einer zunehmenden Austauschbarkeit führen. In einem fragmentierten Markt besteht außerdem das Risiko, auf "das falsche Pferd" zu setzen und sich für eine Plattform zu entscheiden, die sich langfristig nicht durchsetzt.
Asiatische Super Apps als Distributionskanal für deutsche Hotels
Die wachsende Bedeutung asiatischer Quellmärkte für die deutsche Hotellerie macht die Auseinandersetzung mit Super Apps zu einer strategischen Notwendigkeit. Deutsche Hotels können durch eine gezielte Zusammenarbeit mit asiatischen Super Apps ihren Zugang zu diesen wichtigen Wachstumsmärkten deutlich verbessern und ihre Distributions- und Marketingstrategien entsprechend anpassen.
Aktuelle Bedeutung asiatischer Super Apps für die Distribution
Asiatische Reisende, insbesondere aus China, Japan und Südkorea, nutzen in ihrem Heimatmarkt bereits routinemäßig Super Apps für die Reiseplanung und -buchung. Diese Gewohnheiten behalten sie auch bei Auslandsreisen bei. So zeigen Studien, dass über 70% der chinesischen Auslandsreisenden WeChat und ähnliche Plattformen nutzen, um Unterkünfte zu recherchieren und zu buchen. Die Plattformen Ctrip (Trip.com Group), Meituan und Fliggy (Alibaba) dominieren den chinesischen Outbound-Markt für Hotelreservierungen.
Aktuell sind viele deutsche Hotels auf diesen Plattformen jedoch unterrepräsentiert oder präsentieren sich nicht optimal. Die Herausforderungen reichen von sprachlichen Barrieren über kulturelle Unterschiede bis hin zu technischen Integrationsproblemen und fehlenden Zahlungsmethoden wie Alipay oder WeChat Pay, die für asiatische Gäste selbstverständlich sind.
Strategische Ansätze für die Zusammenarbeit mit asiatischen Super Apps
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit asiatischen Super Apps erfordert einen differenzierten Ansatz, der die Besonderheiten der jeweiligen Plattformen berücksichtigt:
Für kleine und mittelständische Hotels bietet sich die Zusammenarbeit mit spezialisierten Distributionspartnern an, die als Aggregatoren fungieren und die technische Integration übernehmen. Unternehmen wie Hotelbeds, DerbySoft oder SiteMinder haben bereits spezielle Schnittstellen zu den wichtigsten asiatischen Plattformen entwickelt und können als Bindeglied dienen.
Größere Hotelketten sollten direkte Partnerschaften mit den führenden Super Apps anstreben. Marriott International beispielsweise hat eine strategische Partnerschaft mit Alibaba geschlossen, die eine tiefe Integration in das Fliggy-Ökosystem umfasst, einschließlich spezieller Loyalty-Programme und maßgeschneiderter Dienstleistungen für chinesische Reisende. Ebenso arbeiten sie mit Rappi zusammen, um Dienstleistungen in Lateinamerika anzubieten.
Für den Einstieg empfiehlt sich ein stufenweiser Ansatz: In einem ersten Schritt kann die Präsenz auf Trip.com (ehemals Ctrip) etabliert werden, da diese Plattform am stärksten auf internationale Märkte ausgerichtet ist und englischsprachige Schnittstellen anbietet. In einem zweiten Schritt folgt dann die Erschließung weiterer Plattformen wie Meituan oder Fliggy.
Erfolgsfaktoren für die Optimierung der Distribution über Super Apps
Die erfolgreiche Nutzung asiatischer Super Apps als Distributionskanal erfordert mehr als nur die technische Anbindung. Lokalisierte Inhalte spielen eine zentrale Rolle – dies umfasst nicht nur die Übersetzung der Hotelbeschreibungen, sondern auch die kulturelle Anpassung der Bildsprache und der hervorgehobenen Ausstattungsmerkmale. Was deutsche Hotels als "Standard" betrachten, kann für asiatische Gäste ein wichtiges Entscheidungskriterium sein, wie etwa die Verfügbarkeit von Wasserkocher, Slipper oder spezifischen Frühstücksoptionen.
Die Preisgestaltung sollte die besonderen Erwartungen asiatischer Märkte berücksichtigen. Die meisten Super Apps werden von preissensitiven Nutzern frequentiert, die gleichzeitig hohe Ansprüche an Qualität und Service haben. Sonderangebote und Packages, die speziell auf asiatische Gäste zugeschnitten sind, können die Buchungswahrscheinlichkeit erhöhen.
Die Integration bevorzugter Zahlungsmethoden wie Alipay, WeChat Pay oder UnionPay ist für asiatische Gäste oft entscheidend. Hotels sollten diese Zahlungsoptionen nicht nur vor Ort, sondern auch bereits im Buchungsprozess anbieten. Einige Super Apps bieten zudem die Möglichkeit, virtuelle Zimmerschlüssel direkt in der App zu hinterlegen, was den Check-in-Prozess erheblich vereinfacht.
Content-Management auf Super Apps erfordert eine kontinuierliche Pflege und Aktualisierung. Anders als bei westlichen OTAs spielen bei asiatischen Plattformen Bewertungen, Bilder und Social-Proof-Elemente eine noch größere Rolle. Hotels sollten ihre Präsenz regelmäßig überprüfen und aktiv auf Bewertungen reagieren.
Handlungsempfehlungen für die deutsche Hotellerie
Um den Super-App-Trend strategisch zu nutzen, sollten deutsche Hoteliers mehrere Maßnahmen in Betracht ziehen. Kurzfristig, in den nächsten ein bis zwei Jahren, empfiehlt sich eine intensivierte Marktbeobachtung, um die Entwicklung relevanter Super-App-Plattformen systematisch zu verfolgen und zu analysieren. Die digitalen Grundlagen sollten geschaffen werden, indem die bestehende IT-Infrastruktur auf API-Fähigkeit geprüft und gegebenenfalls modernisiert wird. Der Kompetenzaufbau durch Schulung von Mitarbeitenden in digitalen Themen und die Rekrutierung spezialisierter Fachkräfte ist ebenfalls wichtig. Erste Kooperationen mit vielversprechenden Plattformen bieten die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und zu experimentieren.
Mittelfristig, in einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren, sollten selektive Partnerschaften mit etablierten und aufstrebenden Super-App-Anbietern eingegangen werden. Insbesondere für Hotelketten und -kooperationen bietet sich die Entwicklung eigener digitaler Ökosysteme an. Die Implementierung von Datenstrategien hilft, aus der Zusammenarbeit mit Plattformen wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Gleichzeitig sollten Differenzierungsmerkmale gestärkt werden, die sich nicht leicht in standardisierte App-Prozesse integrieren lassen.
Für die langfristige Positionierung über fünf Jahre hinaus empfiehlt sich die Etablierung von Hybridmodellen, die digitale Effizienz mit menschlicher Gastfreundschaft verbinden. Die aktive Mitgestaltung der Plattformökonomie durch Brancheninitiativen und Kooperationen kann helfen, die Interessen der Hotellerie zu wahren. Nachhaltige Kundenbindungsprogramme sollten entwickelt werden, die über einzelne Plattformen hinausgehen. Kontinuierliche Innovation der eigenen Services ist wichtig, um für Plattformen ein attraktiver Partner zu bleiben.
Distributionsstrategie für eine Super-App-Welt
Die Integration von Super Apps in die Distributionsstrategie deutscher Hotels sollte nicht als isolierte Maßnahme, sondern als Teil eines umfassenden Vertriebskonzepts betrachtet werden. Während westliche OTAs wie Booking.com und Expedia nach wie vor den europäischen Markt dominieren, gewinnen asiatische Super Apps für die Ansprache internationaler Zielgruppen zunehmend an Bedeutung.
Eine zukunftsfähige Distributionsstrategie sollte daher einen hybriden Ansatz verfolgen, der folgende Elemente umfasst:
Eine starke Direktvertriebsstrategie bildet das Fundament, da sie die höchsten Margen und die beste Kontrolle über die Kundenbeziehung bietet. Die eigene Website und App sollten technologisch auf dem neuesten Stand sein und ein nahtloses Buchungserlebnis bieten. Wer heute in die eigenen digitalen Vertriebskanäle investiert, schafft die Grundlage für eine selbstbestimmte Position im Super-App-Ökosystem von morgen.
Die Präsenz auf westlichen OTAs bleibt für die Ansprache des heimischen und europäischen Marktes unerlässlich. Diese Plattformen entwickeln sich ebenfalls in Richtung integrierter Ökosysteme und sollten entsprechend strategisch gemanagt werden.
Für internationale Märkte, insbesondere in Asien, sollten gezielt regionale Super Apps in die Vertriebsstrategie integriert werden. Dabei sollte die Auswahl nach Herkunftsländern der Zielgruppen priorisiert werden – chinesische Plattformen für den chinesischen Markt, japanische für Japan usw.
Metasuchmaschinen wie Google Hotel Ads, Trivago oder Kayak bleiben wichtige Partner, zumal sie zunehmend selbst Buchungsfunktionen integrieren und so zu "Mini-Super-Apps" für den Reisebereich werden.
Angesichts der digitalen Transformation im Distributionsbereich sollten deutsche Hotels ihre Vertriebskanäle nicht mehr als isolierte Systeme betrachten, sondern als integriertes Ökosystem mit zahlreichen Schnittstellen. Channel-Manager und Property-Management-Systeme müssen entsprechend ausgewählt werden, um die Anbindung an Super Apps technisch zu ermöglichen.
Die wichtigste Distributionsstrategie in einer Super-App-Welt bleibt jedoch die kontinuierliche Innovation des eigenen Produkts. Hotels, die einzigartige Erlebnisse bieten und authentische Gastfreundschaft leben, werden auch in einer digitalisierten Welt unverzichtbare Partner für Vermittlungsplattformen bleiben und können so ihre Verhandlungsposition stärken.
Fazit: Super Apps – Revolution mit Anpassungsbedarf
Super Apps werden zweifellos auch den deutschen und europäischen Hotelmarkt beeinflussen, wenn auch in modifizierter Form im Vergleich zum asiatischen Raum. Der Trend zu stärker integrierten digitalen Ökosystemen ist unaufhaltsam, doch wird er sich an die spezifischen Gegebenheiten des deutschen Marktes anpassen müssen.
Für die deutsche Hotellerie stellen Super Apps weder eine simple Bedrohung noch ein Allheilmittel dar. Vielmehr repräsentieren sie einen fundamentalen Wandel in der Art, wie Reisedienstleistungen vermarktet, vermittelt und erlebt werden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer ausgewogenen Strategie, die digitale Innovationen annimmt, ohne die Kernkompetenzen der Branche – Gastfreundschaft, persönlicher Service und lokale Authentizität – zu vernachlässigen.
Die Frage ist nicht, ob Super Apps den deutschen Hotelmarkt beeinflussen werden, sondern wie Hotels sich positionieren, um von dieser Entwicklung zu profitieren und gleichzeitig ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Jene Betriebe, die den Trend frühzeitig erkennen und proaktiv handeln, werden nicht nur überleben, sondern gestärkt aus dieser digitalen Transformation hervorgehen.
Die Zukunft der deutschen Hotellerie in einer Welt der Super Apps wird von jenen gestaltet, die Technologie als Werkzeug begreifen, um authentische Gastfreundschaft digital zu erweitern – nicht zu ersetzen.


Autor: Robert Broeck
Super Apps in der Hotellerie: Revolution oder Bedrohung für den deutschen Markt?
- 05.05.2025