Fachinterview mit Julian vom Kongresshotel Potsdam

Digitalisierung im MICE-Bereich


HSMA: Julian, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Magst du dich und das Kongresshotel Potsdam kurz vorstellen
Julian: Gerne! Das Kongresshotel Potsdam ist eines der größten Tagungshotels in Deutschland. Wir haben 452 Zimmer, 40 Tagungsräume sowie Außenflächen von 6.000 Quadratmetern. Unser größter Veranstaltungsraum bietet Platz für bis zu 500 Personen in Bestuhlung. Wir betreuen Veranstaltungen von kleinen Gruppen bis hin zu großen Messen mit mehreren Tausend Gästen.
Unser Team im Convention Sales besteht aus 11 festangestellten Mitarbeitenden sowie 6 Auszubildenden. Wir haben ein dreistufiges System: Angebotsmanagement, Betreuung und Abrechnung – so stellen wir sicher, dass wir effizient arbeiten und unseren Kunden einen reibungslosen Service bieten.

TECHNOLOGIEEINSATZ IM KONGRESSHOTEL POTSDAM
HSMA: Ihr habt in den letzten Jahren stark in Digitalisierung investiert. Welche Systeme nutzt ihr für den MICE-Bereich?
Julian: Unser zentrales Property Management System (PMS) ist Protel. Zudem nutzen wir OpenSpace für unser Revenue Management und Angebotsautomatisierung. Interne Kommunikation und Meetings laufen über Microsoft Teams. Eine große Veränderung war die Einführung von Tablets (Surface-Geräte) für fast alle Mitarbeiter. Damit haben wir einen großen Schritt Richtung papierloses Arbeiten gemacht. Unsere Angebote und Veranstaltungen werden nun digital in einer Ordnerstruktur auf dem Server abgelegt, sodass alle relevanten Abteilungen Zugriff haben.

HERAUSFORDERUNGEN UND DIGITALISIERUNGSSCHRITTE
HSMA: Wie sah eure Arbeitsweise vor der Digitalisierung aus, und was waren die größten Herausforderungen?
Julian: Vor der Digitalisierung hatten wir ein sehr analoges System – physische Hängeordner für jede Veranstaltung. In diesen Ordnern wurden Angebote, E-Mail-Korrespondenz, Saalpläne und alle Notizen gesammelt. Das hatte eine gewisse Logik, aber auch viele Schwachstellen: hoher Papierverbrauch, Fehleranfälligkeit und ineffiziente Ablage. Unsere größte Herausforderung war, diesen Wandel schrittweise und strukturiert umzusetzen. Wir haben während der Corona-Pandemie die Zeit genutzt, um alle bestehenden Dokumente digital zu archivieren und eine einheitliche, zugängliche Ordnerstruktur aufzubauen.

HSMA: Gab es messbare Verbesserungen durch diese Veränderungen?
Julian: Definitiv! Früher mussten wir in unseren Schränken nach den passenden Unterlagen suchen – jetzt können wir in Sekunden per Suchfunktion auf alle Veranstaltungsdetails zugreifen. Zudem konnten wir den Papierverbrauch drastisch reduzieren – mittlerweile haben wir in jedem Büro keinen eigenen Drucker mehr, sondern nur noch einen zentralen auf dem Flur. Auch in der internen Struktur haben wir uns weiterentwickelt. Die Aufteilung in Angebotsmanagement, Betreuung und Abrechnung hat zu einer deutlichen Effizienzsteigerung geführt. Vorher hatte jeder alles gemacht, jetzt sind die Prozesse klarer aufgeteilt, und wir können Anfragen schneller bearbeiten.

KI IN DEN ABLÄUFEN: UNTERSTÜTZUNG DURCH GPT-MODELLE
HSMA: Spielt Künstliche Intelligenz (KI) in euren Abläufen eine Rolle? Wenn ja, wo und wie?
Julian: Ja, absolut! Wir haben zwei eigene GPT-Modelle programmiert:

Convention GPT: Enthält alle relevanten Handlungsleitfäden, AGBs und interne Prozesse für unser Veranstaltungsteam. Wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel eine Frage zu unseren Stornierungsbedingungen hat, kann er direkt mit dem GPT chatten und bekommt sofort eine Antwort – ohne mühsam in Dokumenten zu suchen.

Hotel GPT: Dieses Modell ist für das gesamte Hotel-Team gedacht und beinhaltet alle wichtigen internen Informationen. Wenn jemand zum Beispiel die Diensthandynummer des Hausmeisters oder eine bestimmte Arbeitsanweisung benötigt, fragt er einfach den GPT.

Wir nutzen beide GPTs zudem intensiv zur Optimierung von Formulierungen im Schriftverkehr, sei es für E-Mails, Angebote oder Kundenkommunikation.
HSMA: Das klingt nach einer enormen Zeitersparnis. Nutzt ihr KI auch im Gästebereich?
Julian: Ja, unser Guest Relation Manager verwendet ein KI-Tool, um auf Gästefeedbacks automatisiert zu reagieren. Gerade bei standardisierten Anfragen spart das enorm Zeit und sorgt für eine schnelle Reaktionszeit.

CHANGE MANAGEMENT: WIE WURDE DIE DIGITALISIERUNG UMGESETZT?
HSMA: Digitalisierung bedeutet immer Veränderung. Wie habt ihr das Change Management organisiert?
Julian: Wir haben darauf geachtet, das gesamte Team einzubeziehen. Es war keine Top-Down-Entscheidung, sondern ein Prozess, den wir gemeinsam gestaltet haben. Ein großer Vorteil war, dass unser Team sich die Digitalisierung gewünscht hat – gerade, weil sie den hohen Aufwand mit Papier gesehen haben. Ein besonders engagierter Auszubildender hat die digitale Ordnerstruktur entwickelt, sodass sie intuitiv und praxisnah ist. Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg war, dass wir den Wandel schrittweise umgesetzt haben. Wir haben nicht von heute auf morgen alles geändert, sondern über eineinhalb Jahre die alten Hängeordner nach und nach digitalisiert.

AUSBLICK: WAS WÜNSCHT IHR EUCH FÜR DIE ZUKUNFT?
HSMA: Welche weiteren Digitalisierungsmaßnahmen plant ihr?
Julian: Ich wünsche mir ein PMS mit mehr Automatisierung. Ein System, das wie beim Online-Shopping funktioniert: Räume auswählen, auf einen Knopf drücken, und ein fertiges Angebot wird generiert. Aktuell erfordert unser Angebotsprozess noch viele manuelle Schritte. Wenn das PMS hier intuitiver und visuell moderner wäre, würde uns das enorm helfen.

TIPPS FÜR ANDERE HOTELS: DIGITALISIERUNG IM MICE-BEREICH
HSMA: Was würdest du kleineren Hotels raten, die mit weniger Personal arbeiten?
Julian: Digitalisierung ist für große und kleine Hotels gleichermaßen wichtig. Die Herausforderungen sind oft ähnlich – nur in unterschiedlicher Skalierung.
Mein Tipp: Setzt auf digitale Tools, die euch Routinearbeit abnehmen. Ein PMS, eine gute E-Mail-Struktur und ein CRM-System helfen, Zeit zu sparen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: die Betreuung der Gäste. Am Ende geht es nicht darum, alles zu digitalisieren, sondern die richtigen Prozesse zu automatisieren, um mehr Zeit für die persönliche Gästebetreuung zu gewinnen.

FAZIT
Das Kongresshotel Potsdam zeigt eindrucksvoll, wie Digitalisierung und der gezielte Einsatz von KI im MICE-Bereich erfolgreich umgesetzt werden kann. Durch die klare Prozessstruktur, den Einsatz von GPT-Modellen und ein starkes Change Management konnten große Effizienzsteigerungen erzielt werden.

Vielen Dank, Julian, für deine Einblicke!

Anhang: Prozessbeschreibung vor, während und nach der Digitalisierung
Zur Veranschaulichung der digitalen Transformation im Kongresshotel Potsdam haben wir die wichtigsten Prozessschritte gegenübergestellt – von der früheren analogen Arbeitsweise über den aktuellen digitalen Ablauf bis hin zu einer möglichen zukünftigen Idealvorstellung mit KI-Unterstützung:

1. Bearbeitung neuer Anfragen

  • Früher: Anfragen wurden per E-Mail empfangen, ausgedruckt und in einem physischen Hängeordner abgeheftet. Jedes Angebot hatte seinen eigenen Ordner – größere Veranstaltungen sogar einen Ringordner.
  • Heute: Die Anfrage wird digital im Veranstaltungsordner der jeweiligen Veranstaltung abgelegt. Je nach Bearbeitungsstand wandert die E-Mail in die Ordner „abgearbeitet“ oder „abgesagt“.
  • Zukünftig: Eine KI erkennt automatisch die Art der Anfrage und speichert diese im passenden digitalen Veranstaltungsordner ab – inklusive Metadaten wie Datum, Ansprechpartner und Veranstaltungstyp.

2. Updates zu bestehenden Veranstaltungen

  • Früher: Änderungen wurden ausgedruckt und im physischen Ordner ergänzt.
  • Heute: Vertragsrelevante Informationen werden digital in den entsprechenden Ordner übertragen.
  • Zukünftig: Eine KI erkennt relevante Änderungen und aktualisiert selbstständig die entsprechenden digitalen Dokumente und Ablagestrukturen.

3. Finalisierung von Verträgen

  • Früher: Nach Vertragsunterzeichnung wurden Unterlagen ausgedruckt und abgeheftet.
  • Heute: Die Veranstaltung wird im PMS auf den Status „DEF“ gesetzt, der Vertrag digital im entsprechenden Ordner abgelegt.
  • Zukünftig: Dieser sensible Schritt soll weiterhin manuell erfolgen, um die Kontrolle über finale Vertragsinhalte zu behalten.

4. Vorbereitung der Function Sheets

  • Früher: Sämtliche Veranstaltungen wurden operativen Abteilungen mündlich im Function Meeting vorgestellt.
  • Heute: Nur noch Veranstaltungen mit über 100 Personen oder mit VIP-Status werden ausführlich besprochen. Seit dem 01.04. bereiten sich alle operativen Abteilungen eigenständig vor – das Meeting dient nur noch zur Klärung offener Fragen.
  • Zukünftig: Alle Informationen sind digital zentral abrufbar, sodass sich alle Abteilungen individuell, strukturiert und effizient vorbereiten können.

5. Kommunikation mit operativen Kolleg*innen

  • Früher & Heute: Der Austausch erfolgt über persönliche Gespräche, Telefonate, E-Mails und Function Meetings.
  • Zukünftig: Ergänzend zu bestehenden Kommunikationswegen sorgt ein zentrales Kommunikationstool dafür, dass alle relevanten Informationen transparent und nachvollziehbar an einem Ort zusammenfließen.

6. Rechnungsstellung

  • Früher: Die Übergabe der Informationen an die Rechnungsabteilung erfolgte per E-Mail.
  • Heute: Die Rechnungsstellung läuft ebenfalls über E-Mail innerhalb des Convention & Sales Teams. Das Controlling überprüft die Rechnung und versendet sie anschließend.
  • Zukünftig: Ein intelligentes PMS-System erstellt strukturierte, verständliche Rechnungen und überprüft diese mithilfe von KI auf Richtigkeit und Vollständigkeit.

Autoren: Kathrina Heun & Gerhard Wasem (mit KI-Unterstützung)

Digitalisierung im MICE-Bereich
  • 09.04.2025
  • Fachinterview mit Julian vom Kongresshotel Potsdam

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